GWÖ – Pro- und Kontra-Diskussion in der Volkshochschule
Lothar Galow-Bergemann vom Förderverein Emanzipation und Frieden e. V. war aus Stuttgart angereist. Er verwies direkt auf Daimler in Sindelfingen: „Wir hängen von dieser Art der Wirtschaft ab. Ohne eine wachsende Autoproduktion hätten wir kein Gesundheitswesen.“ Es herrsche ein ewiges Wachstumsmantra, da Unternehmen sonst vom Markt verschwinden würden. Es brauche einen Ausstieg aus dem Kapitalismus und eine grundlegend andere Art des Wirtschaftens.
Die GWÖ biete zwar gute Ziele, beseitige aber die kapitalistische Wirtschaftsform nicht, lautete Galow-Bergemanns klare Kritik. In der sich anschließenden Diskussion verteidigte Binder diesen Aspekt der GWÖ: „Firmen sollen aus Motivationsgründen weiterhin Gewinne machen, der Gewinn soll aber nicht an erster Stelle stehen“, betonte der Apotheker. Eine Ergänzung aus dem Publikum, dass Genossenschaften als Modell gefördert werden sollten, stimmten Galow-Bergemann und Binder zu. „Aber auch sie müssen im Markt bestehen können“, ergänzte Binder.
Auf die Frage, wie eine Gemeinwohlbilanzierung abläuft, erklärte Binder den Prozess der externen Auditierung, die allerdings nicht staatlich anerkannt sei, sondern aus der GWÖ-Bewegung komme. Hier setzte Galow-Bergemann einen weiteren Kritikpunkt an: „Die Art und Weise, wie die Gemeinwohlbilanzierung abläuft, ist nicht transparent und nachvollziehbar.“ Ebenso könnten Firmen die Gemeinwohlbilanz zum Marketing nutzen.
Nach gut zwei Stunden resümierten beide Vertreter die Diskussionsinhalte. Albrecht Binder sieht die Politik in der Pflicht, Nachhaltigkeit in der Wirtschaft stärker zu fokussieren. „Der Kapitalismus ist eine Form der Marktwirtschaft, die GWÖ aber ist eine weitere Form der Marktwirtschaft.“ Lothar Galow-Bergemann plädierte für eine radikale Arbeitszeitverkürzung und starke, kontroverse gesellschaftliche Auseinandersetzungen über eine zukunftsfähige Wirtschaft. Hier sei auch die GWÖ in der Pflicht, sich mit anderen Initiativen zu vernetzen. „Die Tatsache, dass heute Abend so viele Leute gekommen sind, zeigt mir auch, dass das Bewusstsein für drängende grundlegende Veränderungen vorhanden ist.“
Chris Ludwig