„Going Local“-Veranstaltung zur Gemeinwohl-Ökonomie im Haus der Europäischen Union in Wien mit breiter Beteiligung
Bericht über die Veranstaltung „EWSA – Going Local: Die Gemeinwohl-Ökonomie – Ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell für den sozialen Zusammenhalt“
Gestern landete die Gemeinwohl-Ökonomie offiziell in Österreich – im Rahmen der Veranstaltung des EESC – Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss „EWSA – Going Local: Die Gemeinwohl-Ökonomie – Ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell für den sozialen Zusammenhalt“.
Im Haus der Europäischen Union in Wien diskutierten Vertreter*innen der Gemeinwohl-Ökonomie mit renommierten Vertreter*innen aus Politik und Wirtschaft. Wir freuen uns, dass die Gemeinwohl-Ökonomie auch auf europäischer Ebene Anklang findet. Der Hintergrund: Im September 2015 votierten Vertreter*innen des EWSA mit einer überwältigender Mehrheit von 86% dafür, „das Gemeinwohl-Ökonomie-Modell sowohl in den europäischen als auch in die einzelstaatlichen Rechtsrahmen zu integrieren“. Neben der gestrigen Veranstaltung in Wien hat es bereits ähnliche Abende in Madrid und München gegeben.
Bei der gestrigen Veranstaltung waren als Redner*innen vertreten:
- Jörg Wojahn, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich
- Thomas Wagnsonner, Mitglied des EWSA
- Carlos Trías Pintó, Berichterstatter des EWSA für die Initiativstellungnahme zur Gemeinwohlökonomie
- Tanja Wehsely, Wiener Gemeinderat (SPÖ)
- Werner Kogler, Finanzsprecher, Die Grünen
- Fred Luks, Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit, WU Wien
- Christian Felber, Initiator der Gemeinwohl-Ökonomie und Buch-Autor
- Jennifer Klink, Gemeinwohl-Beauftragte Hotel Auersperg, Salzburg
- Herbert Thumpser, Bürgermeister der Gemeinde Traisen
- Michael Müller-Camen, Professor am Institut für Human Resource Management, WU Wien
- Peter Zimmerl, Vorstand der Genossenschaft für Gemeinwohl
- Cay Urbanek, kaufm. Direktor des Volkstheaters
Im Rahmen der Diskussion konstatierte Werner Kogler, Finanzsprecher der Grünen: „Ich beobachte in Österreich eine bedauerliche Diskursverweigerung zum Thema Gemeinwohl-Ökonomie“. Gemeinwohl-Ökonomie-Initiator Christian Felber wusste zu berichten, dass in anderen Ländern das öffentliche Interesse deutlich größer sei: „An der Universität Valencia startet im Herbst der erste Lehrstuhl für Gemeinwohl-Ökonomie, die Universität Barcelona macht gerade die Gemeinwohl-Bilanz. Täglich beweisen immer mehr Menschen, Unternehmen, Gemeinden und Bildungseinrichtungen, dass der EWSA mit seiner Initiative den Nerv der Zeit getroffen hat.“
Auch ein WU-Professor forscht mittlerweile zur Gemeinwohl-Ökonomie. Prof. Michael Müller-Camen plädierte für mehr Zusammenarbeit zwischen den GWÖ-Betrieben und der Wissenschaft. Ganz anders argumentierte Fred Luks, Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit der Wirtschaftsuniversität Wien. Er brachte zur Diskussion einen Original-Schal des Terrorregimes der Roten Khmer mit auf die Bühne und warnte vor dem „populistischen“ Modell der Gemeinwohl-Ökonomie, das wie bei den Rothen Khmer oder bei Stalin von Schreibtischtätern zum Wohle aller entworfen wurde und unter jenen Millionen Tote gekostet hat – sobald es sich als einzig wahres Wirtschaftsmodell verstand und als solches diktatorisch exekutiert wurde. Dem wurde von vielen Seiten entgegnet, dass das Gemeinwohl-Ökonomie-Modell grundsätzlich als offenes, flexibles und demokratisches Modell konzipiert ist und es von seinen Kriterien daher auch gar nicht anders funktionieren kann als demokratisch, partizipativ und plural, wie dies auch in der EWSA-Stellungnahme zum Ausdruck kommt.
Holistischer Ansatz eines nachhaltigen und praxistauglichen Wirtschaftsmodells für sozialen Zusammenhalt
Der einladende Mitinitiator dieses Abends, Mitglied und Berichterstatter des EWSA für die Initiativstellungnahme zur Gemeinwohlökonomie, Carlos Trías Pintó, unterstrich in seiner Keynote die Übereinstimmung von „universell anerkannten Werten wie Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Transparenz und demokratische Beteiligung“ mit einem Wirtschaftssystem, das diese Werte erstmals auch wirtschaftlich belohnt – und nicht, wie es der derzeitige Rechtsrahmen für die wirtschaftliche Praxis bewirke, diese tendenziell bestraft. Die Gemeinwohl-Beauftragte des Hotels Auersperg in Salzburg, Jennifer Klink, berichtete, dass die Gemeinwohl-Bilanz den Unternehmen zum Beispiel gegenüber Banken helfe, „sich zu erklären“, wenn sie soziale und ökologische Maßnahmen setzten. Peter Zimmerl, Vorstand der BfG-Genossenschaft, sekundierte, dass die Kreditprüfung in der Zukunft ebensolche sozialen und ökologischen Aspekte mitberücksichtigen müsse.
Eine deutlich positive Stellungnahme zur Gemeinwohl-Ökonomie erfolgte seitens des Bildungssprechers der SPÖ Wien, Heinz Vettermann. Er kündigte an, seitens der Stadt Wien gemeindeeigene Betriebe auf eine mögliche Integration von Gemeinwohl-Ökonomie-Kriterien hin prüfen zu wollen.
Den Verlauf des Abends haben wir auch in einer Pressemitteilung zusammengefasst, die hier abrufbar ist.