Krankenhauslandschaft der Zukunft – Gesundheitsinvestitionen mit Renditegarantie?
Dreizehn Krankenhäuser waren 2022 zur Schließung gezwungen. Einen Teil der Ursachen analysierte Thomas Strohschneider, Chirurg für Allgemein- und Gefäßchirurgie, in seinem jüngsten Buch “Krankenhaus im Ausverkauf“, die er dann auch am 12. Mai auf Einladung der GWÖ-Regionalgruppe Ulm im Club Orange der Volkshochschule Ulm vorstellte.
Um die Finanzlage im Gesundheitssektor zu verbessern, setzt die Politik auf private Geldgeber. Und die steigen nur dann ein, wenn ihre Anlage entsprechend attraktiv erscheint. „Zu diesem Ziel führen auf lange Zeit hin angelegte Vertragsbeziehungen zwischen privaten Klinikunternehmen und den gesetzlichen Krankenkassen. Da schauen dann schon 14 bis 15 Prozent Rendite im Jahr heraus“, berichtet der Mediziner. Diese würden jedoch nicht den Krankenhäusern als Rücklagen oder für Neuinvestitionen zur Verfügung gestellt, sondern stattdessen auf den Cayman Inseln angelegt, ergänzt er. „Wegen der paradiesisch niedrigen Steuersätze!“, schafft er seinem Missbehagen Luft. Ein Raunen in den Reihen der Zuhörer, die in beachtlicher Zahl am Freitag zu einem eher spröden Vortragsthema gekommen sind, signalisiert Zustimmung.
Am meisten jedoch ärgert Thomas Strohschneider, dass die privat erzielten Renditen aus den Beiträgen der gesetzlich versicherten Krankenkassenmitgliedern stammen. „Ohne Zweckbindung sind die Folgen absehbar“, befürchtet der Mediziner. Bettenabbau und Klinikschließungen – ab 1980, wo es 3 783 Krankenhäuser mit 879 605 Betten gab, und heute, mit etwa 2 000 Häusern und knapp 500 000 Betten – gehen weiter. In Bezug auf die Stellen der Pflegekräfte bedeutet das: 60 000 weniger!
Abhilfe soll nach vorherrschendem gesundheitspolitischem Verständnis die Spezialisierung einzelner medizinischer Disziplinen, beispielsweise Orthopädie, Herz- oder Transplantationschirurgie schaffen. Krankenhäusern, die solche besser vergüteten Leistungen nicht anbieten können, droht irgendwann die Schließung. Weitergedacht entsteht dann der Widerspruch zu der allgemein anerkannten Auffassung, wonach der Weg zu nächsten Klinik nicht mehr als 30 Minuten dauern soll. Bei Notfällen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall eine Überlebensfrage!
Kommunale Krankenhäuser entstanden aus den Beiträgen gesetzlich versicherter Mitglieder und Steuerzahler. Dabei stand das Kostendeckungsprinzip an oberster Stelle und weniger Überschuss- oder Gewinnstrategien. Nach den Vorstellungen der Regionalgruppe Ulm/Neu-Ulm der Gemeinwohl-Ökonomie, die den Vortragsabend organisiert hatte, mehr als verständlich und der Unterstützung wert. In einem am Gemeinwohl orientierten Gesundheitswesen hat die Daseinsvorsorge oberste Priorität, statt einer Jagd nach Rendite. Die Abschaffung der diagnosebezogenen Fallpauschalen ist u.a. ein Vorschlag, auch kleineren Krankenhäusern ein gesundes Wirtschaften zu ermöglichen.
Michael Fettig