People over Profit – Menschenwürde im realen Alltag leben
Nachbericht zu den People Over Profit-Workshops am 26.09.23 im Rahmen der Hamburger AktiKo
„Profit for the people“ – dieser wichtige Grundsatz ist eines der vielen Ergebnisse von zwei spannenden Workshops, die im Rahmen der Hamburger AktiKo am 26. September von #IchBinArmutsbetroffen, Christians4Future und der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) Hamburg organisiert wurden. In der ersten Veranstaltung nahmen die Teilnehmer*innen verschiedene Perspektiven ein und überlegten gemeinsam, wie die Zukunft im Jahr 2033 aussehen könnte, wenn Profit nicht mehr an erster Stelle stehen würde. Das Themenspektrum reichte dabei von nachhaltiger Führung über Umweltgerechtigkeit bis hin zu geflüchteten Menschen – aber auch Armut, Obdachlosigkeit, Pflege, Kirche und Journalismus standen im Fokus.
Für jede Perspektive gab es eine*n oder mehrere Vertreter*innen, der oder die aufgrund von beruflichen oder privaten Erfahrungen ein besonders großes Interesse an einer bestimmten Thematik hatten. Die anderen Teilnehmer*innen konnten nach einer kurzen Vorstellung aller Perspektiven frei entscheiden, mit welchem Bereich sie sich in der anschließenden Kleingruppendiskussion tiefergehend beschäftigen wollten. Nachdem man sich auf gemeinsame Regeln für eine ertragreiche Diskussion geeinigt hatte, folgte die aktive Gruppenarbeitsphase. Es entstand ein intensiver und respektvoller Austausch auf Augenhöhe, der sowohl von verschiedenen Meinungen und bewegenden Erfahrungen als auch von einem deutlich spürbaren Tatendrang geprägt war.
Folgende besonders relevante Aspekte kamen dabei in fast jeder Gruppe zur Sprache und wurden im Rahmen einer Abschlussrunde mit allen Teilnehmer*innen verdeutlicht – allen voran die Unzufriedenheit mit dem aktuellen System und das dringende Bedürfnis nach Veränderung. Nur so kann es gelingen, mehr Mitbestimmung zu ermöglichen, niemanden auszugrenzen, aktiv Solidarität zu zeigen und eine umfassende und interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern. Zudem stimmten in einem ganz entscheidenden Punkt alle Perspektiven überein: Es ist längst überfällig, die vermeintlich unantastbare Menschenwürde aus dem Grundgesetz in den realen Alltag zu übertragen und den heute noch oftmals leeren Worten endlich Leben einzuhauchen.
Auf diesen Erkenntnissen aufbauend folgte nach einer halbstündigen Snack- und Networking-Pause der zweite Workshop, bei dem die themenübergreifenden Aspekte aus dem vorherigen Workshop in einer Fishbowl-Diskussion aufgegriffen wurden. Ziel war es nun, über bestehende Möglichkeiten zu sprechen, um heute aktiv zu werden und einen Systemwandel voranzutreiben. Im inneren Kreis hatten sich dazu die Vertreterinnen der Perspektiven nachhaltige Führung, Steuergerechtigkeit, Obdachlosigkeit und geflüchtete Frauen* als feste Diskussionsgäste eingefunden. Die vier leeren Stühle waren für externe Gäste bestimmt, die nach den Eröffnungsstatements ihre Ideen, Meinungen und Erfahrungen teilen und mit den festen Gästen diskutieren konnten.
Ein ganz entscheidender Bestandteil der Diskussion waren die bewussten Pausen, in denen die junge Vertreterin der geflüchteten Frauen die zuvor auf Deutsch besprochenen Inhalte für die erwachsenen Geflüchteten auf Kurdisch übersetzte und deren Reaktionen wiederum auf Deutsch mit den übrigen Gästen teilte. Auf diese Art wurde besonders eindrücklich gezeigt, wie wenig diese Sprachbarriere in vielen Alltagssituationen berücksichtigt wird und wie wichtig es gerade im Umgang mit geflüchteten Menschen ist, tatsächlich mit ihnen und nicht nur über sie zu sprechen.
Zudem wurden persönliche Erfahrungen geteilt, die allen Anwesenden die bittere Realität vor Augen führten: Es ist leider keine Normalität, dass geflüchtete Menschen nach wenigen Jahren oder bestenfalls Monaten im Asylheim in eine langfristige und menschenwürdige Bleibe umziehen oder dass ihre Sprachkenntnisse gefördert werden, sie ganz normal die Schule besuchen oder ihren gelernten Beruf ausüben können. Auch wenn die Medien und der Staat teilweise einen solchen Eindruck vermitteln, entspricht dies leider noch nicht der Lebensrealität vieler Geflüchteten.
An diesem sehr emotionalen Punkt zeigte sich eine erste Umsetzung der im vorherigen Workshop besprochenen Aspekte, denn einige der Gäste boten ganz konkret Unterstützung an, machten Mut durch ihre persönlichen Erfahrungen oder stellten sich und ihr Netzwerk für zukünftig benötigte Hilfe zur Verfügung. Und genau dieses Verhalten spiegelt bereits viele der Maßnahmen wider, die wir heute für eine people-orientierte Zukunft ergreifen können: Jede*r sollte versuchen, wirklich konkrete Schritte zu gehen, sich lokal zu engagieren, die Betroffenen miteinzubeziehen und z.B. innerhalb eines Bezirks mit anderen Menschen, Organisationen etc. zu kooperieren und sich zu vernetzen, um mit größerer Wirkung zu agieren.
Außerdem ist es wichtig, aktiv über den eigenen Schatten zu springen, sich solidarisch zu zeigen und stets offen für andere Meinungen oder veränderte Blickwinkel zu sein. Und wie sich auch im ersten Workshop herausstellte, muss die permanente Achtung der Menschenwürde dringend in die Realität überführt werden. Unsere Gesellschaft braucht mehr von einem Mindset, dass den Menschen selbst als obersten Profit sieht und entsprechend gemeinwohl-orientiert handelt.
Bericht: Stefanie Kämper
Titelgrafik: Sabine Siehl