Mehr Erfolg mit Ethik und Moral

Pressebericht in unserer Tageszeitung „Pfaffenhofener Kurier“ vom 27.11.2020 über die 1. Online-Veranstaltung der GWÖ-Regionalgruppe Pfaffenhofen „Sind ethisch geführte Unternehmen zukunftsfähiger?“

Mehr Erfolg mit Ethik und Moral – Wirtschaftsverbände und Unternehmer diskutieren über Gemeinwohl-Ökonomie

Pfaffenhofen. – Erst kommt das Fressen, heißt es in Brechts Dreigroschenoper, dann kommt die Moral. Muss man sich also erst den Magen vollgeschlagen beziehungsweise ein fettes Bankkonto haben, bevor man sich um sittliche Werte kümmert? Nein, sagen einige Unternehmer aus dem Landkreis, die sich zu einer Online-Veranstaltung getroffen hatten: Wer nachhaltig wirtschaftet, hat langfristig mehr Erfolg.

In einer Videokonferenz ging es um die Frage, ob Ethik und Moral als Wirtschaftsfaktoren den Gewinn zwingend schmälern oder ihn auch steigern können.
Eingeladen zu der Video-Konferenz hatte die Pfaffenhofener Regionalgruppe der Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung (GWÖ) mit ihren beiden Koordinatoren Judith Neumair und dem GfG-Stadtrat Manfred „Mensch“ Mayer, um die Frage zu erörtern: Sind ethisch geführte Unternehmen zukunftsfähiger? Oder anders gefragt: Ist nachhaltiges, verantwortliches Wirtschaften etwas, das sich ein Unternehmer leisten können muss? Denn immerhin geht es auch darum, zum Beispiel Lieferanten nicht nur an ihren Preisen, sondern auch mit ethischen Maßstäben zu messen. Und dann ist der billigste nicht zwingend die erste Wahl. Denn es wird gefragt, wo und wie produziert wird.
Um Unternehmern Lust auf Ethik zu machen, nahmen an der Kooperations-Veranstaltung auch Vertreter von Pfaffenhofener Wirtschaftsverbänden wie vom Kommunalunternehmen Strukturentwicklung (KUS), der Wirtschaftsservicegesellschaft (WSG), von ProWirtschaft und der IGLI, der Interessengemeinschaft lebendige Innenstadt. Bei so viel geballter Kompetenz hätte man der hochinteressanten Veranstaltung deutlich mehr Gäste gewünscht als die drei Dutzend Teilnehmer – und dabei sind die Veranstalter schon mitgezählt.

Worum es geht, erläuterte Markus Hölzl von der GWÖ Bayern. In den zehn Jahren des Bestehens haben sich 2300 Unternehmer in 180 Regionalgruppen der Organisation angeschlossen. Für sie ersetzt die Gemeinwohl-Ökonomie nicht die Marktwirtschaft, sondern ergänzt sie werteorientiert um ökologische und soziale Ziele. Damit die nicht zu bloßen Absichtserklärungen verkommen, erstellen diese Unternehmen neben der üblichen Soll- und Haben-Bilanz einen Gemeinwohl-Bericht, der bilanziert, was ein Betrieb zum Gemeinwohl beiträgt, wie weit er beim Erreichen der vier ethischen Ziele gekommen ist: Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitentscheidung. Dieser Werte-Kanon wird in Bezug gesetzt zu den fünf Gruppen, mit denen es jeder Unternehmer zu tun hat. Also zu Lieferanten, Finanzpartnern, Mitarbeitern, Kunden und dem gesellschaftlichen Umfeld. Was für den ethisch wirtschaftenden Unternehmer bedeutet: Er muss ganz konkrete Fragen mit einem Punktesystem bewerten. Dabei unterstützen ihn andere GWÖ-Mitglieder.

Die Kommunikations-Trainerin Marianne Voit hat sich mit ihrem Beratungsunternehmen und fünf weiteren Betrieben, unter anderem einem Steinmetz, einem Software-Entwickler und einer HNO-Praxis, zusammengetan. „Erschreckend“, sagt Voit der Runde, „was einem plötzlich in den Blick kommt.“ Zum Beispiel die Erkenntnis: Muss die Wirtschaft immer weiterwachsen? „Nichts in der Natur wächst ständig.“ Oder: „Die Schäden, die unser Wirtschaften verursacht, lagern wir aus, behalten tun wir nur das Gute.“

Wie ein Unternehmen Erfolg haben kann, das sich diesen Werten verpflichtet fühlt, stellte Detlef Fuchs vor, seit 20 Jahren Personalchef bei Hipp. Der Weltmarktführer für Babynahrung hat schon vor zwei Jahrzehnten eine 28-seitige „Ethik-Charta“ vorgelegt, der sich alles unternehmerische Handeln des Konzerns unterwirft. Das sei, erklärte Fuchs den Teilnehmern an den Bildschirmen, kein Marketing-Instrument, „wir sind auch keine Schöngeister“, und der Anlass sei auch kein schlechtes Gewissen gewesen. Hipp fühle sich vielmehr dem christlichen Leitbild, der christlichen Soziallehre verpflichtet.

Die Charta sei ein Regelwerk „wie die Straßenverkehrsordnung“, so Fuchs. Sie schreibe das Verhalten des Unternehmens in fünf Bereichen fest: am Markt, gegenüber Staat und Gesellschaft, der Natur, gegenüber Mitarbeitern, aber auch, wie sich diese Mitarbeiter zu verhalten haben. Ganz konkrete Beispiele aus diesem Regelwerk: Hipp setzt auf langfristigen Erfolg. „Zu diesem Zweck“, heißt es da, „sind auch kurzfristige Schlechterstellungen in Kauf zu nehmen.“ Das hat Konsequenzen: „Mitarbeiter, insbesondere Führungskräfte, die nicht ständig das langfristige Wohl des Unternehmens im Auge haben, sind nicht die richtigen Mitarbeiter für Hipp und erst recht nicht geeignet, Führungspositionen zu übernehmen.“ Bestechlichkeit, erklärte Fuchs der Runde, sei streng verboten und ziehe die fristlose Kündigung nach sich. Ein anderes Beispiel: Hipp erwartet von seinen Führungskräften, dass sie die Belange der Mitarbeiter berücksichtigen, damit die „in einem gesunden sozialen Umfeld“ leben können.

Diese Werte, so Fuchs, werden gelebt. „Uns können Sie darauf verhaften“, erklärte der Personalchef. Und diese Ethik-Charta zahlt sich aus? „Sie ist ein Grund für potenzielle Mitarbeiter“, so Fuchs, „zu uns zu kommen. Sie haben eine magnetische Anziehung.“ Denn sie erzeugen bei Lieferanten, Mitarbeitern und Kunden Vertrauen. Fuchs berichtete der Runde von einer Marktforschung. Kunden wurden gefragt, was sie mit Hipp verbinden. „Wir dachten, das ist Bio, Bio, Bio.“ Das kam auch vor, aber an erster Stelle habe „Vertrauen“ rangiert. Vertrauen ins Unternehmen und seine Produkte – eine bessere Reputation ist nicht denkbar. Womit die Eingangsfrage, ob ethisch geführte Unternehmen zukunftsfähiger sind, eindeutig mit Ja beantwortet wird.
PK
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