Gemeinwohl hinter der Linse

Interview mit Simon Veith, Deutschlands erstem gemeinwohl-bilanzierten Fotograf, der sein Studio in Köln-Ehrenfeld hat: Seine Fotografie hat Simon auf nachhaltiges und gemeinwohl-orientiertes Wirtschaften ausgerichtet. Im Interview erklärt er, was das bedeutet und wie er sein Geschäftsmodell darauf umgestellt hat. Vor kurzem wurde Simon für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2025 in der Kategorie „Werbung und PR“ nominiert und ist damit der erste Fotograf, der den größten und bekanntesten Nachhaltigkeitspreis gewinnen kann. 

Wie funktioniert „grüne Fotografie“ und was machst du anders als konventionelle Fotografen?

Grüne Fotografie umfasst einen ganzheitlichen Ansatz, der sich auf eine klimapositive Arbeitsweise und ethische Geschäftspraktiken konzentriert. Im Gegensatz zu konventionellen Fotograf*innen vermeide ich in allen Bereichen der Selbstständigkeit und Fotografie Emissionen, nutze faires Banking, habe eine winzige Webseite, die grün gehostet wird, besten Öko-Strom, geliehenes oder Second-Hand-Equipment, achte bei Jobs auf die umweltfreundlichste Anreise und habe ein grünes Studio in Ehrenfeld. Unvermeidbare Emissionen werden mit 250 Prozent mit zertifizierten Projekten überkompensiert und zudem habe ich bereits 6910 Mangrovenbäume gepflanzt. Ich bin überzeugt, dass es heutzutage angesichts der Klimakrise nicht reicht, nur klimaneutral zu arbeiten. Abgesehen von der Arbeitsweise arbeite ich nur für grüne Kundschaft, so werden meine Bilder auch inhaltlich grün.

Was hat dich dazu bewogen, dich von der GWÖ zertifizieren zu lassen?

Ich bin mir sicher, dass eine nachhaltige und ethische Unternehmensführung nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Gesellschaft von großer Bedeutung ist. Die GWÖ bietet einen Rahmen, der Unternehmen dabei unterstützt, ihre Aktivitäten an ethischen Werten auszurichten und einen positiven Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. Durch das Pilotprojekt von KölnBusiness hatte ich eine tolle Gelegenheit, das Thema anzugehen. Zudem bin ich ein Freund von Taten – da konnte ich mir nicht entgehen lassen, mich zertifizieren zu lassen.

Wie hat sich dadurch dein Blick auf dein Business verändert?

Die GWÖ-Zertifizierung hat mir geholfen, meine Werte und Prioritäten noch klarer zu definieren. Ich war im Thema ökologische Nachhaltigkeit schon sehr gut aufgestellt, konnte aber dennoch an ein paar Stellschrauben weiter drehen. Zudem habe mir einige Aspekte zum Gemeinwohl angeeignet und konnte Dinge während des Schreibens direkt in die Tat umsetzen.

Wie gliederst du dich als grüner Fotograf in die Wertschöpfungskette deiner Kunden ein? Wissen die zu schätzen, dass du so klimafreundlich arbeitest?

Ich stehe für eine klimaoptimierte Medienproduktion mit einem hohen Anspruch an Ästhetik. Meine Kundschaft weiß das teilweise zu schätzen, aber hier ist definitiv noch Luft nach oben. Ich arbeite gerade an einem besseren Offboarding Prozess, wobei ich mir Feedback einhole und mich mit einem Klimaprojekt im Namen der Kundschaft bedanke. So möchte ich mehr Aufmerksamkeit auf meine Nachhaltigkeit lenken. Zudem beschreibe ich in jedem Angebot meine Arbeitsweise, wie viele Emissionen ich ausgleiche und was Kund*innen im ökologischen Sinne von der Zusammenarbeit haben. Natürlich möchte ich in Zukunft noch viel mehr mit GWÖ-zertifizierten Unternehmen zusammenarbeiten.

Welche Vorteile hat die GWÖ-Zertifizierung für dich?

Die GWÖ-Zertifizierung bietet mir mehrere Vorteile. Sie stärkt das Vertrauen meiner Kund*innen in mein Unternehmen, differenziert mich von Mitbewerber*innen und hilft mir, meine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Außerdem bietet sie eine klare Orientierung für eine ethische Unternehmensführung.

Was unterscheidet deiner Meinung nach die GWÖ von anderen Anbietern für Nachhaltigkeits-Zertifizierung?

Die GWÖ unterscheidet vor allem durch ihren Fokus auf das Gemeinwohl und die ganzheitliche Betrachtung von Unternehmen als Teil der Gesellschaft. Sie berücksichtigt nicht nur ökologische Aspekte, sondern auch soziale und ökonomische Dimensionen. Zudem ist der Fragenkatalog mit 20 Themenfeldern sehr stichhaltig und tiefgreifend, wo viele andere Zertifizierungen nur oberflächlich sind oder gar nur CO2-Zertifikate verkaufen.

Wie stark beeinflusst das nachhaltige Arbeiten im grünen Umfeld deine Gewinnmarge? Ist ja sicher viel teurer, überall nachhaltige Produkte und Services zu einzukaufen, oder?

Es beeinflusst die Gewinnmarge gar nicht so stark, wie man vielleicht denkt. Meine Preise sind auch marktgerecht und es gibt bei mir keinen Aufpreis für Nachhaltigkeit – das ist bei mir Standard. Einige Produkte und Services sind sogar günstiger: Gebrauchtes Equipment oder Verleih ist natürlich günstiger als neues zu kaufen. Ein Gemeinschaftsstudio mit Sharing-Prinzip ist günstiger als ein eigenes Studio. Selbst Grünstrom ist in der Regel günstiger als die Grundversorgung mit Atomstrom. Bio-Erdgas ist viel günstiger als Benzin oder Diesel. Mein Gebrauchtwagen war deutlicher preiswerter als ein neuer – allerdings war die Version mit Erdgas etwas teurer. Natürlich gibt es auch Punkte, die viel teurer sind, wie bspw. das grüne Hosting oder die Kompensation. Generell der ganze Aufwand, den ich für mein Nachhaltigkeitskonzept betreibe, was die meisten Kolleg*innen gar nicht machen. Alles in Allem hält es sich in Waage, aber ich investiere viel Zeit, was vermutlich der größte Faktor ist.

Würdest du dich noch mal von der GWÖ zertifizieren lassen? 

Ja, ich würde mich auf jeden Fall wieder zertifizieren lassen, da ich weiterhin meine Werte und Prinzipien in meinem Geschäft umsetzen möchte und die GWÖ ein wertvolles Werkzeug dafür ist. Ich bin sehr froh, die Bilanzierung geschrieben zu haben, auch wenn der Prozess anstrengend und zeitintensiv war. Es ist wertvoll, solch eine tolle Zertifizierung nachweisen zu können.

Was könnte die GWÖ anders und besser machen? Was würdest du dir wünschen?

Ich denke, der Prozess der Bilanzierung und die Vorgaben können optimiert werden. Ich würde es formal vereinfachen und mit Vorlagen standardisieren, wie zum Beispiel die Tabellen für die Lieferketten. Was die GWÖ generell besser machen könnte, ist eine verstärkte Sensibilisierung der nachhaltigen Unternehmensführung. Außerdem könnte eine breitere Anerkennung der GWÖ-Zertifizierung in der Wirtschaft dazu beitragen, ihren Einfluss zu stärken und mehr Unternehmen zur Umsetzung nachhaltiger Praktiken zu motivieren.

Webseite: https://simon-veith.com/

Foto: Simon Veith