10 Jahre Geimeinwohlökonomie in Bremen – Grund genug zu feiern: Am 26.10.2024 fand in der Bremer Weserburg unsere Jubiläumsveranstaltung statt. Auf dem „Markt der Möglichkeiten“ präsentierten sich Bremer Initiativen rund um das Thema Nachhaltigkeit und Menschenwürde:
Die Buchhandlung Schweitzer Fachinformationen war mit einem Bücherstand und der einschlägigen Literatur zum Thema alternative Wirtschaft vertreten.
Für die Keynote war Christian Felber extra aus Österreich angereist. Der Tänzer stand zur Geburtstagsgratulation buchstäblich Kopf und applaudierte mit den Füßen. Dann nahm er seine Zuhörer*innen mit auf eine spannende, kurzweilige Reise in das Jahr 2050. In 26 Jahren messen wir das Wirtschaftswachstum zwar immer noch, nur anders. Aufgrund der Initiative der Bremer GWÖ-Regionalgruppe ist es gelungen, die Landesregierung davon zu überzeugen, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur noch als finanzielle Kennzahl zu erfassen. Das Wirtschaftswachstum des Landes Bremen wird dagegen mit dem Gemeinwohlprodukt gemessen. Das kleinste Bundesland war das erste, in dem das Gemeinwohlprodukt den Weg in die Landesverfassung gefunden hat, wegen seiner großen Popularität wurde es dann auch auf Bundesebene eingeführt.
Ein kurzer Ausflug in die Geschichte des BIP machte klar, dass es ursprünglich niemals dazu gedacht war, die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung aller Nationen zu messen. Bereits der „Erfinder“ des BIP, der Ökonomen Simon Kuznets, warnte ausdrücklich vor politischem Missbrauch. Zur Verdeutlichung dessen, was das BIP misst und eben gerade nicht misst, zitierte Christian Felber aus der berühmten Rede von Robert F. Kennedy aus dem Jahre 1968: „Unser Bruttosozialprodukt misst alles, außer dem, was das Leben lebenswert macht.“
Das, was wir messen und worauf wir damit unsere Aufmerksamkeit lenken, geht ein in unser aller Denken und Handeln. Was geschieht, wenn uns der Perspektivwechsel weg vom Geld hin zum echten Wohlstand (wie im gleichnamigen Buch von Vivian Dittmar beschrieben) gelingt, ist im Jahre 2050 zu besichtigen. Allen geht es spür- und messbar besser. Anstelle von endlosem materiellem Wachstum auf einem begrenzten Planeten misst das Gemeinwohlprodukt der GWÖ die Gesundheit von Mensch und Natur. Es verlagert den Fokus von finanziellen Kennzahlen auf das, was wirklich zählt. Es orientiert sich an dem Konzept des Bruttonationalglücks in Buthan.
Dass Ungleichheit eine Hauptursache für viele politische Verwerfungen darstellt, machte Christian Felber an seinem Gerechtigkeits-Experiment deutlich. Die Frage: Welcher Einkommensunterschied zwischen einem Mindesteinkommen und dem Maximaleinkommen empfindet man als gerecht, welche als ungerecht? Alle Zuhörer waren aufgefordert mitzumachen. Als Abstimmungsmethode diente das systemische Konsensieren, es wurden also nicht nur ein oder zwei Möglichkeiten zur Abstimmung gestellt, wie bspw. bei der Volksabstimmung in der Schweiz, wo die Frage, ob man für oder gegen eine Begrenzung des maximalen Einkommens bei dem 12-fachen sei, mehrheitlich abgelehnt wurde. Jetzt wurden alle Varianten, die geäußert wurden, einzeln abgestimmt, und zwar nicht nach Zustimmung, sondern nach Grad des inneren Widerstandes. Das Ergebnis:
Das 6-fache war den Zuhörer*innen am sympathischsten. Christian Felber betonte seine Erfahrung aus über 500 Tests bei den unterschiedlichsten Zielgruppen, dass das Ergebnis meist bei dem 10 bis 12 -fachen liegt, fast immer jedoch zwischen dem 5- und 20-fachen. Zur Einordnung: Der reale Wert für Deutschland ist derzeit das 60.000-fache, für die USA das 360.000-fache.
Es folgte eine ausgesprochen angeregte, teilweise auch kontroverse Diskussion. Welchen Grenzwert denn die GWÖ empfehle, wurde gefragt. Christian Felbers Antwort: Die GWÖ, genau wie er selbst, würden überhaupt keine Vorgaben machen wollen, denn wichtig sei, dass solche Grenzwerte in einem demokratischen Prozess zustande kommen, bspw. durch repräsentativ besetzte Bürgerräte. Die weit verbreitete Angst vor der direkten Demokratie sei, so Christian Felber, unbegründet, weil es keinerlei empirischen Belege dafür gäbe, dass sich dadurch extremistische Sichtweisen durchsetzen könnten.
Auf die Frage, was er, Christian Felber, denn tatsächlich für die kommenden Jahre und Jahrzehnte erwarte angesichts des zunehmend kritischen gesellschaftlichen und ökologischen Zustandes, meinte er, er würde sich schon eher als Pessimisten bezeichnen. Nur: Für ihn sei genau das Grund, erst recht aktiv zu werden.
Der anschließende Austausch – das ausgezeichnete Catering stammte vom Verein Lichtgrenze Bremen e.V. – war Networking vom Feinsten und die Diskussionen gingen in den persönlichen Kontakten weiter, wobei auch der Humor hörbar nicht zu kurz kam. Eine ausgesprochen gelungene Veranstaltung, die eine Menge Inspiration und Anregung vermitteln konnte.