GWÖ Sommerwoche der Aktiven im DACH-Raum
Nachschau 2024 | Inner Work für’s Gemeinwohl
12. bis 17. Juli 2024 in Hermannsburg
„Menschen ermutigen, Vertrauen zu wagen und für sich und andere Verantwortung zu übernehmen“. Das ist das Motto des Evangelischen Bildungszentrums Hermannsburg und in diesem Sinne kamen rund 100 Engagierte der Gemeinwohl-Ökonomie Bewegung aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz für vier Tage in die Südheide nach Niedersachsen (D).
Ein Programm der Vielfalt gab es zu erleben mit allen Sinnen, der Fokus der diesjährigen Sommerwoche war dem inneren Wandel gewidmet: Inner Development – was ist das eigentlich? Was gibt es für Ansätze? Wie passiert es? Es passiert auf der Sommerwoche, in ganz vielen Facetten: Durch das Open Space Format und persönlichen Herausförderungen durch die Marktplatz-Mitgestaltung. Oder durch die Auseinandersetzung mit den eigenen großen Lebensfragen (Warum? Wie? Was? – mit dem Golden Circle von Simon Sinek), in Bezug auf Nachhaltigkeit. Oder durch das Üben von Gewaltfreier Kommunikation (GfK).
Ganz viel Raum für inneres Wachstum gab es auch durch Lernen in und von der Natur: beim Walk & Talk durch die Heide mit Gesprächen über die Zusammenhänge von Schöpfung, Gemeinwohl, Wohlstand und dem persönlichen Beitrag zur Regeneration. Auf einer Kanutour versuchten sich rund drei Dutzend Wasserbegeisterte beim Paddeln auf der Örtze und dem Suchen, Entdecken und Ergründen von Prinzipien der Permakultur. Welche Muster und Elemente erkennen wir in Wasser, Auenlandschaft, in uns und unserer ganzen Mitwelt? Persönliche Gespräche und Workshop-Angebote alle Art trugen dazu bei, Kraft zu tanken für das Engagement für unser gemeinsames Wohl.
Morgen- und Abendroutinen, von Yoga und Qigong über schamanische Kreisgespräche hin zu christlichen Andachten, von Handstand-Trainings über Volleyball und Lagerfeuer trugen zum ganzheitlichen Wohlbefinden bei. Eine Reise nach Jerusalem der anderen Art befeuerte nicht den Konkurrenzgedanken, sondern unseren Kooperationssinn mit dem spannenden spielerischen Experiment, wie viele Menschen ein Stuhl tragen kann. Wie funktioniert die Schwarmintelligenz von Vögeln und haben wir Menschen diese auch in uns? Auch das durften wir spielerisch erfahren, durch das Bilden eines Vogelschwarms und dem Erkunden von Führung, Zusammengehörigkeit, achtsamem Miteinander und dem Experimentieren mit Richtung, Geschwindigkeit und Abständen.
Durch Contact Improvisation (CI) und Tanzangebote konnten Bedürfnisse wie Bewegung und Nähe genährt werden. Zwei Werte der Gemeinwohl-Matrix, und zwar Solidarität und Transparenz, konnten so auf eine ganz besondere Art und Weise erlebt werden, im Tanz in Bewegung und Begegnung.
Gemeinwohl-Walk & Talk durch die Misselhorner Heide
Golden Circle: Mein WARUM, WIE & WAS
Im Kanu auf der Örtze, Permakultur pur
Workshops, Workshops, Workshops… die Auswahl und Vielfalt waren gigantisch. Nach Arbeit fühlten sich die Angebote nicht an. Keiner konnte überall dabei sein – umso schöner war dadurch der Austausch mit anderen Menschen im Nachgang und die tägliche Ernte des Erlebten. Eine Gruppe setzte sich in der Tiefe mit der Rolle des Geldes in der sozio-ökologischen Transformation auseinander und die Modern Monetary Theory (MMT) wurde vorgestellt. Viel Diskussionsbedarf gab es bei Themen wie der Job-Garantie (bedingungsloses Beschäftigungsangebot in gemeinwohlfördernden Bereichen von Kommunen und NGOs) und dem Bedingungslosen Grundauskommen / Grundeinkommen.
Einige Menschen ließen sich für den Gruppenerfahrungsprozess TheWeek (von Frederic Laloux) inspirieren, zum erlebbar machen der Klimaveränderung in den nächsten Jahrzehnten. Die Soziokratie als Organisationsmodell für die GWÖ? Damit beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe intensiv. Eine interaktive Erprobung des Two-Loops Modell der Transformation sowie ein Mini-Konvent in Form einer Planungszelle (Bürger*innen-Beteiligungsverfahren nach Peter Dienel) begeisterte zahlreiche Menschen: Wow! – was für eine Vielfalt an wundervollen Methoden zur Gestaltung unserer Gesellschaft und Demokratie wir nutzen können!
Wie hängen Nachhaltigkeit und Genussfähigkeit zusammen? Wie können wir Veränderungen mit Freude initiieren und erleben? Einblicke und spannende Körpererfahrungen dazu, mit wissenschaftlichem Hintergrund aus der Psychologie der Nachhaltigkeit (nach Marcel Hunecke) konnten erfahren werden. Der Ansatz der »sechs psychischen Ressourcen für nachhaltige Lebensstile« zeigt, wie Achtsamkeit, Genussfähigkeit, Selbstakzeptanz, Selbstwirksamkeit, Sinnkonstruktion und Solidarität als Haltungen und Fertigkeiten der Nachhaltigkeit für inneren und äußeren Wandel essenziell sind. Die eigene Selbstwirksamkeit weiterzuentwickeln, durch intuitives Schreiben und einen Verkörperungsprozess, das war eine ganz wesentliche Erfahrung, welche auch im Nachgang zur Sommerwoche noch wirken und reifen darf.
Mit Freude wurden schlafende Kräfte in der Arbeitsgruppe Mein-Gemeinwohl zum Leben erweckt, um Arbeitsmaterialien wie Werte-Selbsttest, Leitfaden und Workshop-Formate für Privatpersonen weiterzuentwickeln und in die Welt zu tragen. Es wurde besonders unter dem Motto „Inner Work“ deutlich, wie wichtig es ist, dass nicht nur Organisationen aller Art Gemeinwohl-Bilanzen erstellen und ihren Beitrag zum Gemeinwohl messen, sondern dass jeder einzelne Mensch einen Blick darauf wirft: Welche Werte habe ich und wie lebe ich diese? Wie steht es um meine persönliche Gemeinwohl-Orientierung, im Denken und Handeln? Und für einen gleichwürdigen Umgang miteinander kommt es auf die Haltung hinter Worten und Taten an!
Das Evangelische Bildungszentrum Hermannsburg eignete sich hervorragend für diese Lernerfahrungen. Es war ein Lernen im Grünen und in vielfältigen Räumlichkeiten mit bester Ausstattung. Die Idee der Gemeinwohl-Bilanzierung wurde im Rahmen des freundlichen Miteinanders direkt im Hause angestoßen. Inspirationen in Bezug auf planetar-gesunde Ernährung und Gemeinwohl wurden ausgetauscht – und einige Teilnehmende konnten bei der Besichtigung eines GWÖ-zertifizierten Demeter-Hofes Eindrücke von den regenerativen Kräften eines Landwirtschaftsbetriebs sammeln.
Alte Hüte und Rollen wurden abgegeben und Menschen für ihr Engagement gewürdigt. An neuen Ideen sprudelte es nur so, wie jedes Jahr aufs Neue auf der Sommerwoche. Wenn kreative und gestaltungsfreudige Menschen zusammenkommen, dann ist vieles möglich – so blicke ich freudig auf die neuen und gestärkten Gruppen, welche sich formiert haben, um sich beispielsweise dem Thema Hochschul-Lehre und Gemeinwohl zu widmen. Der große Abschlussabend wurde gebührend gefeiert, mit Bewegung und Tanz in unterschiedlichsten Facetten, und einem humorvollen und tief gehenden Gemeinwohl-Gedicht.
Ich befinde mich in einem Gefühl der Dankbarkeit für die vergangenen 5 Tage, erfüllt und gestärkt für die nahe Zukunft, und in Vorfreude auf die Sommerwoche 2025. Hoch lebe die GWÖ und alle mit ihren und ähnlichen Werten verbundenen Wesen!
Autor: Daniel Bogner-Haslbeck
Website der GWÖ Sommerwoche (D/A/CH)