Ihr Weg zur Gemeinwohl-Orientierung in Landshut und Umgebung
Seminar mit einem Dutzend Unternehmer*innen
Unsere Regionalgruppe Landshut hat am 10. Juni 2022 im Neuen Geschichtsboden in Vatersdorf ein Seminar für all solche Unternehmen veranstaltet, die sich stärker an Nachhaltigkeitszielen orientieren und vielleicht sogar eine sog. Gemeinwohl-Bilanz erstellen wollen.
Stefanje Weinmayr begrüßte in Vertretung des Hausherrn Thomas Bader die gut 20 Teilnehmer*innen im schönen Seminarraum von Leipfinger-Bader.
Anschließend führte Prof. Dr. Georg Ohmayer, u.a. Koordinator der RG Landshut, in seiner Seminar-Einführung aus, dass unser marktwirtschaftliches System zwar einerseits unsere aktuellen Probleme – vom Klimawandel bis zum Artensterben – mitverursacht hat, andererseits aber auch die Potenz zu entsprechenden Problem-Lösungen besitzt. Allerdings gilt dies nur, wenn die Spielregeln der Wirtschaft beispielsweise im Sinne der GWÖ verändert werden: statt der Fokussierung auf quantitatives Wachstum und permanente Kapital-Vermehrung muss ein Aufbruch zu einer ethischen Marktwirtschaft mit Zielrichtung Gemeinwohl durchgesetzt werden.
Simon Stadler, Mitbegründer und Geschäftsführer der Polarstern GmbH, einem deutschlandweit tätigen Ökoenergieversorger mit Sitz in München, beschrieb die von Beginn an konsequente Ausrichtung seiner Firma an Nachhaltigkeitszielen. Das Wohl von Mensch und Umwelt wurde fest in der Unternehmenskultur verankert, die Lieferanten werden nach ihrem ökologischen Verhalten überprüft, die Mitarbeitenden haben Anspruch auf sinnvoll ausgestaltete Lebenszeit, bei Investitionsentscheidungen wird der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen berücksichtigt und der Kundschaft werden faire und transparente Konditionen geboten. Simon Stadler zeigte eindrucksvoll, dass wirtschaftlicher Erfolg und Gemeinwohl-orientiertes Wirtschaften durchaus zusammenpassen. Denn einerseits wurde Polarstern viermal in Folge zum „innovativsten Unternehmen in D“ gekürt und andererseits konnte sich die Firma stark weiterentwickeln – vom Energieversorger zum Energiewendegestalter.
Prof. Dr. Wolfgang Gehra von der Hochschule München erläuterte in seinem Vortrag die Vorteile einer Kombination des Dokumentations- und Bewertungs-Instruments „Gemeinwohl-Matrix“ mit dem Planungstool „Balanced Scorecard“. Während in einer GW-Matrix der Stand eines Unternehmens bzgl. von 4 Wertebereichen (Menschenwürde, Solidarität/Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz/Mitentscheidung) aus 5 verschiedenen Sichten (von Lieferanten bis zu Kunden) erfasst und bewertet wird, werden beim Aufbau einer Balanced Scorecard die strategischen Ziele für die Zukunft mit passenden Messgrößen und Zielwerten festgelegt, um eine nachhaltige Zukunftsorientierung des Unternehmens zu erreichen. In einem Pilotprojekt konnte Wolfgang Gehra dieses Vorgehen erfolgreich in die Praxis umsetzen, und zwar zusammen mit der Regensburg Tourismus GmbH.
Im dritten Seminarteil erläuterten Markus Hölzl, Vorstand von GWÖ Bayern e.V., und Rudolf Fleischmann, Koordinator Regionalgruppe Landshut, den Prozess der Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz im Detail und mit Angabe der entstehenden Kosten. Es gibt verschiedene Wege: Entweder erarbeitet ein Unternehmen die Bilanz alleine (optional unter Mithilfe durch GWÖ- Berater*in) mit anschließender Prüfung durch GWÖ-Auditor*in oder mehrere Unternehmen arbeiten zusammen in einer sog. Peer-Group unter Betreuung von GWÖ-Berater*in und gegenseitiger Evaluierung. Es ist zu wünschen, dass sich als Konsequenz dieses Seminars wie im vergangenen Jahr wieder eine Gruppe von Unternehmen findet, die in einer solchen Peer-Group eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen.
Nach dem fachlichen Teil des Seminars kamen die Teilnehmer(innen) noch in den Genuss eines besonderen Schmankerls, eine Führung durch den inzwischen überregional bekannten „Neuen Geschichtsboden“ durch Heimatforscher Hans Schneider, der zu allen Ausstellungsstücken seines Museums wundervolle Geschichten erzählen kann.