So sieht Zukunft aus: Fünf norddeutsche GWÖ-Pionierunternehmen erhielten am 29. Oktober ihre Testate
Nach Goldeimer und Voelkel testiert die Gemeinwohl-Ökonomie fünf weiteren norddeutschen Unternehmen eine positive Gemeinwohl-Bilanz.
Am 29.10.2021 wurde im Torhaus des Museums der Arbeit den Vertreter*innen von fünf norddeutschen Unternehmen ihr Testat für die erstmals erstellte Gemeinwohl-Bilanz übergeben. Anhand von 20 Indikatoren legten die Unternehmen offen, wie nachhaltig sie in vier Gemeinwohl-Wertekategorien entlang der gesamten Wertschöpfungskette als Unternehmen Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt übernehmen.
Das Testat erhielten
- inoio GmbH (Software-Entwicklung)
- Klima Kontor – Planung und Beratung GmbH (Beratung Energiekonzepte)
- Siebold/Hamburg Messebau GmbH
- TOFU Manufaktur Christian Nagel GmbH
- Café Chrysander
Wie sinnvoll sind ein Produkt bzw. die Dienstleistung? Wie ökologisch wird produziert, vertrieben und entsorgt? Wie werden die Gewinne verteilt? Insgesamt 20 Fragekomplexen (Gemeinwohl-Indikatoren) müssen sich engagierte Unternehmen stellen, bevor sie von der Gemeinwohl-Ökonomie (kurz GWÖ) ihr Testat erhalten. Die Antworten werden dann qualitativ im Gemeinwohl-Bericht und quantitativ in der Gemeinwohl-Bilanz eines Unternehmens festgehalten. Weltweit haben mittlerweile rund 800 Firmen und Organisation eine Gemeinwohlbilanz erstellt. Dabei ist Norddeutschland eine echte Hochburg in Sachen Gemeinwohl-Ökonomie. Mehr als 76 Organisationen und Firmen habe allein hier eine Gemeinwohlbilanz erstellt (Stand November 2021).
Details zur Gemeinwohl-Bilanz der fünf frisch gemeinwohl-bilanzierten Unternehmen finden Sie hier:
Über 2.300 Unternehmen aus weltweit 50 Staaten unterstützen die GWÖ-Bewegung
Damit sind sie echte Pionierunternehmen, denn in der aktuellen Wirtschaft wird das Gemeinwohl bislang kaum gemessen. Konventionell bilden das Bruttoninlandsprodukt (Volkswirtschaft), der Finanzgewinn (Unternehmen) und die Finanzrendite (Investition) die zentralen wirtschaftlichen Erfolgsindikatoren. In der Gemeinwohl-Ökonomie soll neben der Finanzbilanz verpflichtend eine „Gemeinwohl-Bilanz“ erstellt und transparent offengelegt werden. Das Ergebnis soll perspektivisch in einer „Gemeinwohl-Ampel“ auf allen Produkten und Dienstleistungen sichtbar gemacht werden und so den Konsument*innen die Kaufentscheidung erleichtern. Und: Je besser das Gemeinwohl-Bilanz-Ergebnis eines Unternehmens, desto mehr rechtliche Vorteile soll es erhalten, zum Beispiel niedrigere Steuern, Zölle und Zinsen oder Vorrang bei öffentlichen Ausschreibungen und Beschaffungen. Mithilfe dieser rechtlichen Anreize sollen ethische Produkte preisgünstiger werden als unethische. Die „Gesetze“ des Marktes würden endlich mit den Werten der Gesellschaft übereinstimmen. Auch deshalb hat die GWÖ gerade die internationale Kampagne „Gemeinwohlprodukt JETZT“ lanciert und an die G20-Staatsoberhäupter adressiert (siehe commongoodproduct.org).
Was heute noch wie eine Zukunftsvision klingt, steckt bereits in der realen Umsetzung – auch auf politischer Ebene. Salzburg und Baden-Württemberg haben das Modell der Gemeinwohl-Ökonomie im Regierungsprogramm. Neben Baden-Württemberg wurde die GWÖ auch in Hessen, Bremen und Hamburg in den jeweiligen Koalitionsvertrag aufgenommen. Den bisher größten politischen Erfolg feierte die Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung auf EU-Ebene. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss nahm eine Initiativstellungnahme zur Gemeinwohl-Ökonomie mit 86 Prozent der Stimmen an und empfiehlt deren Einbau in den Rechtsrahmen der EU.
Über 2.300 Unternehmen aus mehr als 50 Staaten unterstützen die Gemeinwohl-Ökonomie, rund 800 davon gehen voran und haben bereits eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt. Engagierte Unternehmen wie etwa die Sparda-Bank München, oder der Outdoorhersteller VAUDE, Organisationen wie Greenpeace Deutschland und Bioland haben sich ebenso bilanzieren lassen wie Gemeinden, Kommunalbetriebe, Kulturstätten, Schulen und Universitäten.