Eine neue Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) liefert erstmals fundierte Schätzungen zum Umfang gemeinwohl-orientierter Unternehmen in Deutschland. Erstellt wurde sie vom Beratungsunternehmen Ramboll im Rahmen der SIGU-Plattform. Die Ergebnisse zeigen: Gemeinwohl-Unternehmen sind kein Nischenphänomen – aber sie sind in offiziellen Statistiken kaum sichtbar.
Die Studie greift auf eine Definition zurück, die in der EU entwickelt wurde. Gemeinwohl-orientierte Unternehmen sind demnach wirtschaftlich aktiv, verfolgen in erster Linie soziale oder ökologische Ziele, reinvestieren einen Großteil ihrer Gewinne und verfügen über demokratische oder partizipative Strukturen. Berücksichtigt wurden Unternehmen mit spezifischen Rechtsformen wie gGmbH, gAG oder gUG, aber auch solche, die informell oder jenseits klassischer Gemeinnützigkeit nach diesen Prinzipien wirtschaften.
Die Schätzung: Rund 160.000 Unternehmen in Deutschland lassen sich unter diese Definition fassen. Sie beschäftigen etwa 3,2 Millionen Menschen und erzielen einen jährlichen Umsatz von bis zu 82 Milliarden Euro. Damit repräsentieren sie rund sieben Prozent der Beschäftigten und über ein Prozent des Umsatzes in der deutschen Wirtschaft.
Was fehlt: Verlässliche Datenbasis und politische Aufmerksamkeit
Trotz dieser beachtlichen Zahlen mangelt es an einer soliden statistischen Grundlage. Die bestehenden Register und Erhebungen bilden zentrale Merkmale wie Gewinnverwendung oder Mitbestimmung kaum oder nur unzureichend ab. Die Studie zeigt, wie aufwendig es ist, Informationen aus verschiedenen Quellen wie dem Statistischen Unternehmensregister, NGO-Datenbanken oder Gründungsbefragungen zusammenzuführen. Zudem fehlt eine einheitliche Definition auf nationaler Ebene, was Vergleichbarkeit erschwert.
Die Autor*innen empfehlen daher unter anderem:
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Ergänzende Fragen zu Gemeinwohl-Kriterien in bestehenden Statistiken,
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eine systematische Erfassung über sogenannte Satellitenkonten,
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Orientierung an internationalen Vorbildern wie Portugal oder Finnland.
Für die Gemeinwohl-Ökonomie ist diese Studie ein wichtiger Schritt: Sie zeigt, dass gemeinwohlorientiertes Wirtschaften bereits heute wirtschaftlich relevant ist – und dass politische Rahmenbedingungen, Transparenz und Förderung dringend weiterentwickelt werden müssen. Wer über die Zukunft der Wirtschaft spricht, sollte diese Akteure nicht übersehen. Die Sichtbarmachung ihrer Leistungen ist ein zentrales Anliegen – auch für die GWÖ-Bewegung.