„Geldschöpfung, Banken, nachhaltige Anlagen“
25.05.2023
Vortrag & Diskussion mit Walter Kern, Finanzfachwirt vom „Fair Finance Institut“ in Heidelberg im Hörsaal PH20, Universität Göttingen
Ist Geld ein knappes Gut? Mit dieser Frage begann ein Vortrag über Geld, Geldschöpfung und den Euro.
Oft gehörte Aussagen aus Bundestagsdebatten, Talkshows und Internetforen zu diesen Themen trafen auf den Widerspruch des Vortragenden, der die Gemeinwohl-Ökonomie in der EFRAG vertritt, die die EU-Kommission in Sachen Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung berät. Geld sei immer ein Schuldschein. Seitdem Geld keinen materiellen Gegenwert mehr habe, entstehe es aus dem Nichts, – und zwar per Mausklick.
Geld entsteht per Mausklick
Sowohl das Zentralbankgeldes (Reserven) als auch das Bankengeld (Giralgeld) entstehe ganz einfach, indem Einträge in Computer-Bilanztabellen erhöht werden. Und es verschwindet, wenn Steuern gezahlt und Bankkredite zurückgezahlt werden. Denn dann würden die Einträge einfach wieder gelöscht.
Die Europäische Union ist Herausgeber des Euro und sei darin technisch unbegrenzt. Der EU könne das Geld somit gar nicht ausgehen, ebenso wenig wie der USA der Dollar.
Staaten müssen nicht ansparen um auszugeben
Dummerweise hätte man sich beim Design des Euro nicht auf eine fiskalische Autorität geeinigt. So fehle der EU ein europäisches Finanzministerium, das Ausgaben tätigen und Steuern erheben oder senken könne, so wie die anderen monetär souveränen Staaten, die USA, Japan, Schweiz, Schweden etc.. Ein monetär souveränes Land zeichne sich dadurch aus, dass es seine Investitionen – z.B. für den Umbau in fossilfreie Energieproduktion – nicht in der Art und Weise finanzieren müsse wie ein Unternehmen oder ein Haushalt. Möchte also ein EU-Mitgliedsland Ausgaben tätigen, dann würden die politischen Regeln bestimmen, dass dies nur über Steuereinnahmen oder den Verkauf von Staatsanleihen (Wertpapiere des Staates) vorzunehmen sei.
Staatsanleihen direkt der EZB verkaufen
Da eine Reform des Euro wohl noch in weiter Ferne liege, könne man zumindest politisch regeln, dass die Mitgliedsstaaten zinslose Staatsanleihen nicht nur an Geschäftsbanken mit deren risikoabhängigen Zinspreis, sondern direkt an die EZB verkaufen können. Deutschland muss als sicheres Land bedeutend niedrigere Zinsen für seine Staatsanleihen zahlen als beispielsweise Spanien, Italien oder Griechenland.
Den deutschen Geschäftsbanken gönne man durch das geschilderte gegenwärtige „Euro-Design“ sozusagen ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“. Allein Deutschland zahle jährlich 200 Milliarden Zinslast an Geschäftsbanken. Diese Beträge könne Deutschland leider nicht per Mausklick schöpfen, sondern müsse dafür Steuern eintreiben.
Die aktuelle Teuerung
Dem Redner ging es auch um die aktuelle Inflation. Diese setzten „Monetaristen und Crashpropheten als Drohmittel gegen Staatsausgaben“ ein, obwohl es sich gar nicht um eine durch Geldschwemme oder Lohn-Preisspirale induzierte Teuerung handeln würde. Die aktuell starke Teuerung sei einzig durch den Schock immens gestiegener Energiepreise verursacht worden. Die Zeiten des billigen russischen Gases seien vorbei. Hätte die EU mehr Geld für die Entwicklung fossilfreier Energieproduktion geschöpft und ausgegeben, dann wäre uns dieser Preisschock erspart geblieben, so die Meinung des Referenten.
Nachhaltige Anlagen
Abschließend wurden Kreditinstitute vorgestellt, die nur in nachhaltige ökologisch-soziale Anlagen investieren. Hier ein Überblick: https://www.fairfinanceguide.de
Die Modern Monetary Theory
Mit der Modern Monetary Theory (MMT), die Walter Kern vorgestellt hat, bekommt man einen deutlich klareren Blick auf die Realität des Geldsystems. Die Modern Monetary Theory (MMT) beruht auf Friedrich Georg Knapp, 1905, wurde in den USA von Waren Mosler ins Leben gerufen und hier in Deutschland von Dirk Ehnts bekannt gemacht. Sehr verständlich schreibt darüber Maurice Höfgen. Sein neuestes Buch zu Inflation „Teuer“ ist auch sehr gut.
Hier ein paar Buchtipps zum Thema:
Maurice Höfgen, Mythos Geldknappheit, 2020
Dirk Ehnts, Geld und Kredit: eine €-päische Perspektive, Metropolis-Verlag, 2020
Friedrich Georg Knapp, Staatliche Theorie des Geldes, 1905, 2013
Organisation & Moderation: Annabel Konermann & Anke Landsteiner, GWÖ Göttingen