GWÖ leben in Kommunen – mehr als nur Klimapolitik!
Die GWÖ-Regionalgruppe Göppingen, die evangelische Akademie und der GWÖ BaWü e.V. veranstalteten vom 3. bis 4. November gemeinsam eine Tagung zum Thema „GWÖ leben in Kommunen – mehr als nur Klimapolitik!“ in der ev. Akademie Bad Boll.
Dient unser Handeln den Menschen, der Umwelt und dem Frieden? Auf diese kurze Frage spitzte Tobias Daur, Berater und Bildungsreferent für eine Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) aus Münster, seinen Vortrag zum Thema Gemeinwohl in Kommunen zu. Vor 45 kommunalpolitisch engagierten Menschen sprach er am 3. und 4. November 2023 bei der Tagung „Gemeinwohl-Ökonomie leben in Kommunen – mehr als nur Klimapolitik“. Die Veranstaltung des GWÖ Baden-Württemberg e.V. und der GWÖ-Regionalgruppe Göppingen fand in Kooperation mit der evangelischen Akademie Bad Boll in ruhiger und schöner Lage am Rande der Schwäbischen Alb statt.
Zuvor gab der GWÖ-Berater Tim Weinert aus Stuttgart einen Überblick über die Ziele und führte in die Grundlagen der GWÖ ein. Tobias Daur aus Münster, beschäftigte sich mit der von vielen Kommunen gestellte Frage: demokratisch, sozial und ökologisch – das sind wir doch schon – warum also GWÖ? Er zeigte auf, dass in vielen kommunalen Bereichen wie z.B. bei der Beschaffung oder auch bei der Geldanlage, bei Transparenz vieler Entscheidungen oder auch der Mitgestaltung der Bürger*innen meist noch viel Spielraum ist. Die Frage die sich jede*r immer wieder stellen sollte ist: Dient das, was Du tust, den Menschen. Tobias Daur erläuterte die speziell für Kommunen entwickelte neue Matrix für die Erstellung der Gemeinwohl-Berichte und stellte fest, dass der Wegekompass, den die Stadt Göppingen erarbeitet hat, schon weitgehend den GWÖ-Vorstellungen entspricht.
Dies betonte auch der Göppinger Oberbürgermeister Alex Maier, der am Abend in einem Kamingespräch, die Bedeutung der Beteiligung der Bürger*innen und der Verwaltung an der Erarbeitung des Konzepts betonte. Er sieht die GWÖ dabei als gute Orientierung und als Chance, sich mit anderen Kommunen zu vernetzen und voneinander zu lernen. Alex Maier hofft auf einen engen Austausch zwischen Kommune und der GWÖ-Regionalgruppe und sieht den Wegekompass als ein Schritt auf dem Weg zur Gemeinwohl-Kommune.
Am zweiten Tag standen konkrete Erfahrungen und Praxisbeispiele im Mittelpunkt. Gabriele Bayer, 3. Bürgermeisterin der gemeinwohl-zertifizierten 8.000 Einwohner-Kommune Postbauer-Heng, erzählte in einem begeisternden Beitrag über den mehrere Jahre dauernden Prozess der GWÖ-Zertifizierung und zeigte an vielen praktischen Beispielen auf, wie in der Kommune die Themen Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie Transparenz und Demokratie entwickelt und gelebt wurden und werden. Sie beschrieb die GWÖ-Matrix für Kommen als große Hilfe all die Themen sauber zu bearbeiten und zu bewerten. Entscheidende Basis für das Gelingen der GWÖ-Zertifizierung in Postbauer-Heng, so Frau Bayer, sei das langjährig aufgebaute Vertrauen in der Kommune, der gegenseitige Respekt, Offenheit und gegenseitige Akzeptanz.
Der Landtagsabgeordnete Norbert Knopf vom Bündnis90/Die Grünen bezog sich in seinem Beitrag auf den Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung, in dem die Gemeinwohl-Ökonomie mehrfach als wichtig benannt wird. Für das Ziel, in dieser Legislatur neben der Forst BW, fünf weitere landeseigene Betriebe auf GWÖ-Grundlage zu zertifizieren, ist noch nicht viel geschehen. Grund dafür ist die Zuständigkeit von drei verschiedenen Ministerien. Um hier voranzukommen, werden gegenwärtig Gespräche mit verschiedenen Landesunternehmen geführt.
An der anschließende Podiumsdiskussion nahmen neben Gabriele Bayer und Norbert Knopf auch Dr. Martin Bernhart, Geschäftsführer der Stadtwerke Göppingen und der Energieversorgung Filstal (EVF) teil, sowie Isabel Glaser, Koordinatorin der Göppinger Agenda 2030, Stadtverwaltung Göppingen und Paul Corrales-Braun, Leiter des Bornheimer Innovations- und Nachhaltigkeitszentrums (BINZ). Dr. Bernhart betonte die Vielfalt an Anforderungen die z.Z. vor allem durch die Europäische Union auch auf die kommunalen Unternehmen zukommen. Es wurde aber auch deutlich, dass das GWÖ-Konzept das umfassendste Tool bietet, das alle diese verschiedenen Standards umfasst und sowohl genaue Bewertung wie auch Vergleichbarkeit ermöglicht. Isabel Glaser sieht in der GWÖ-Matrix ein für die Stadtentwicklung wunderbares Tool, das Orientierung und Freiraum für die eigene Akzente der Kommune gibt.
Zum Schluss wurden von den Teilnehmenden in fünf Arbeitsgruppen noch konkrete Handlungsperspektiven entwickelt. Johannes Dolderer leitete den Workshop zum Thema Gemeinwohl-Produkt, Matthias Henel zur gemeinwohl-orientierten Förderung von Start-Ups, Paul Corrales-Braun zu einer gemeinwohl-basierten Wirtschaftsförderdung, Hartmut Schäfer hatte das Thema Ecogood Business Canvas und Tobias Daur Quartiersentwicklung.
Die Referierenden und ihre Beiträge waren durchweg sehr informativ und gewinnbringend. In einer abschließenden Runde wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen vorgestellt und von allen ein sehr positives Fazit zu den vergangenen anderthalb Tagen gezogen. Insbesondere, der Hinweis von Gabriele Bayer auf die Relevanz einer wertschätzenden Kommunikation als Basis einer Gemeinwohl-Ökonomie zog sich wie ein roter Faden durch die Tagung.