Klimaschutz war gestern

Fotograf: Heribert Corn

21.9.25 Das schreibt Sven Hartberger aus Wien, der sich im Kunstverein Göttingen der Diskussion stellte. In seinem Aufsatz dazu mit dem Untertitel „Wie Gemeinwohl-Ökonomie Anstrengungen für das Klima erübrigt“, argumentiert er:

„Die Erfordernisse einer gesunden Ökologie sind dem gegenwärtig weltbeherrschenden Wirtschaftsmodell nicht nur kein primäres Anliegen, sie sind ganz im Gegenteil seinen Interessen diametral entgegengesetzt. Wer für ein lebensfreundliches Klima auf unserem Planeten etwas erreichen will, wird deshalb … sich auf ein einziges Ziel konzentrieren müssen, nämlich darauf, der Schädigung des Klimas die Geschäftsgrundlage zu entziehen. Wie das geschehen kann, demonstriert eine schnell wachsende Zahl von Unternehmen, Industriebetrieben, Kommunen und Einzelpersonen, die ihre wirtschaftliche Tätigkeit … an den Maximen [der] Gemeinwohl-Ökonomie orientieren.“ (Erstmals erschienen in: Forum Nachhaltig Wirtschaften, Heft 02/2022)

Altes Rathaus

Die Veranstaltung wurde von Kunstverein Göttingen im Alten Rathaus ausgerichtet. Sie war der Abschluss einer Kunstausstellung namens „TERRA DIASPORA – Aktives Terrain N°2“ (siehe: kunstvereingoettingen.de). Gemeinsame Intention der gezeigten Exponate war es, für die katastrophale Lage unseres Planeten zu sensibilisieren und die Umweltkrise ins Bewusstsein des Betrachters zu heben, um so ins Handeln zu kommen.

Von 14 bis 17 Uhr gab es dazu nun eine „Finissage“ in Form eines dreiteiligen Talk-Programms mit der Titelfrage: „Ein richtiges Leben im falschen? Das Angebot der Gemeinwohl-Ökonomie und die Möglichkeiten der Kultur in der Klimakrise“.

Dabei stand Sven Hartberger, der Gast aus Wien, im Mittelpunkt mit seiner Empfehlung: „Die PionierInnen der Gemeinwohl-Ökonomie geben dem Wirtschaften eine gute Richtung. Durch ihre Tat widerlegen sie den Philosophen Theodor W. Adorno und zeigen: Es gibt sehr wohl ein richtiges Leben im falschen.“

Im 2. Teil ging es logischerweise weiter mit der „Nachhaltigkeit und Gemeinwohl-Ökonomie in Göttingen“. Moderatorin Johanna Meyer bat dafür drei Gäste auf das Podium: Annabel Konermann, Koordinatorin der Regionalgruppe Göttingen der Gemeinwohl-Ökonomie Deutschland, Nils König, Scientists for Future, im Vorstand des Kunst e.V. und Vorsitzender für den Kulturbereich im Klimabeirat der Stadt Göttingen und Michael Letmathe, Chefdramaturg am Deutschen Theater Göttingen. Doch zunächst wurde Sandra Hinz gebeten, über ihre Erfahrung mit der Gemeinwohl-Ökonomie zu berichten. Von Oktober 2020 bis November 2021 hatte das Deutsche Theater Göttingen das sozial-ökologisch ausgerichtete Bilanzierungsverfahren der Gemeinwohl-Ökonomie durchgeführt. Frau Hinz ist im Deutschen Theater als Verwaltungsdirektorin und Geschäftsführerin für den wirtschaftlichen und administrativen Bereich zuständig. Im DT hätten sie, so Hinz, eine passende Form der Bilanzierung gesucht und mit der Gemeinwohlbilanz eine Berichterstattung gefunden, die neben den ökonomischen und ökologischen Aspekten auch die sozialen Aspekte beleuchte. Das Verhältnis der Mitarbeiter*innen zueinander, ihre Funktionen, Verdienste und Mitentscheidungsmöglichkeiten sind im Theaterbetrieb immer wieder Gesprächsgegenstand. Letztlich habe man sich aber auf die Fragen der Nachhaltigkeit, der Wiederverwendung von Requisiten und Müllvermeidung konzentriert, denn im Betrieb mit den rund 180 Beschäftigten sei es aufwändig, alle 20 Kriterien der Gemeinwohlmatrix alle zwei Jahre durchzusprechen.

Teilnehmenr*innen

v.l.n.r. Dr. Almut Hüfler, Johanna Meyer, Sven Hartberger, Michael Letmathe, Annabel Konermann, Nils König, Stephan Klee

Michael Letmathe kam erst vor einem Jahr vom Schauspiel Hannover an das DT Göttingen. Im Stück zum Saisonauftakt „IKI.radikalmensch“ geht es vor allen Dingen zuerst um Klimaschutz und es beschäftigt sich mit der Frage: „Was braucht die Welt, genau jetzt, um noch gerettet zu werden? Etwa eine Öko-Diktatur?“ Letmathe möchte mit den Inszenierungen diesen und anderen gesellschaftskritischen Themen, auch immer wieder Raum geben.

Annabel Konermann betonte das Bemühen von gemeinwohlbilanzierenden Betrieben, aber auch innerhalb der Stadtbevölkerung, Interessen und Bedarfe unterschiedlicher Gruppen auszutarieren. So radikal und utopisch die nicht dem Mainstream entsprechenden Ansichten der Gemeinwohl-Ökonomie auch klingen mögen, so sehr könne man sich jedoch darauf verlassen, dass die Gruppe offen für alle demokratisch gesinnten Menschen bleibe. Denn Anschlussfähigkeit und Gesprächsbereitschaft seien entscheidend für das Ringen um eine gute Kommunal- wie auch Unternehmenspolitik.

Ein nicht so hoffnungsvolles Bild zeichnete Nils König. Viele Vorschläge des breit zusammengesetzten Klimaschutzbeirates der Stadt Göttingen seien aus dem Klimaschutzplan dann wieder herausgestrichen oder einfach nicht umgesetzt worden. Auf Nachfrage, so König, meine die Verwaltung der Stadt auf die Beratung durch den Beirat schlicht verzichten zu können.

Im 3. und letzten Teil der Abschlussveranstaltung zu den präsentierten Werken ging es nun um die „Möglichkeiten und Aufgaben der Kultur und Kunst im Zusammenhang mit den Folgen der Klimakrise“. Zu Wort kamen wieder Sven Hartberger, Nils König, Michael Letmathe und Annabel Konermann, verstärkt durch Stephan Klee, dem Künstlerischer Leiter des Kunstvereins Göttingen. „Wie passt das zusammen?“, fragte Moderatorin Dr. Almut Hüfler, Kuratorin und Literatur­wissenschaftlerin aus Berlin. Hartberger stellte heraus, man könne gerade mithilfe des Verständnisses der GWÖ gelingende Beziehungen aufbauen, die den Sinn stiften, der uns vor Einsamkeit und Depression schütze. Denn die GWÖ stelle Kooperation, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung über Wettbewerb und Profit. Aufgabe der Kunst sei es, Hoffnung zu stiften. Alle Gesprächsteilnehmer betonten, dass Kunst zwar aktuellen Strömungen in der Gesellschaft folgt, aber nicht zu unfreier Auftragsarbeit werden darf, auch nicht zu einem erwünschten politischen Zweck. Kunst folgt einer inneren Vision. In Freiheit entfaltet sie Humanität zum Wohle aller aus sich selbst heraus. Und das ist Kunst im eigentlichen Sinne schon immer gewesen.

POdiums-Teilnehmer*innen