Mit der Gemeinwohl-Ökonomie gegen die Systemkrise
GWÖ-Landesverein stellt sein Landes-gefördertes Nachhaltigkeitsprojekt für KMU im Haus der Abgeordneten vor. Norbert Knopf hat sein Büro als erster Abgeordneter Gemeinwohl-bilanzieren lassen.
Stuttgart. „Die Intention der Gemeinwohl-Ökonomie ist es, eine demokratisch legitimierte Wirtschaftsordnung zu schaffen, in der das Gemeinwohl das oberste Ziel ist.“ Das sagte Alessandra Hensel-Rall, Geschäftsführerin des Gemeinwohl-Ökonomie Baden-Württemberg e.V., zum Auftakt des Landesförderprojekts für KMU namens „Zukunft gestalten – Nachhaltigkeit fördern“. Vor allem richtete sie sich mit dieser Grundsatzerläuterung im Stuttgarter Haus der Abgeordneten an jene, die zum ersten Mal Teil einer GWÖ-Veranstaltung waren. Wie die Geschäftsführer eines Biberacher Start-ups, Sebastian Kienzle und Kilian Frank. „Wir haben gespürt, dass die GWÖ unsere Heimat ist, und wir haben hier einen Raum voller Mitstreiter entdeckt, die alle eine gemeinsame Vision haben“, sagte Kienzle.
So hatten sich der einladende GWÖ-Landesverein und der gastgebende Landtagsabgeordnete Norbert Knopf (Grüne) das erhofft: Gemeinwohl-orientiertes Wirtschaften in Baden-Württemberg bekannter zu machen und zudem Unternehmen zu motivieren, nachhaltiger und verantwortungsvoller zu handeln.
Und dies auch sichtbar zu machen – mit dem Herzstück der Gemeinwohl-Ökonomie: der Gemeinwohl-Bilanz. Sie ist eine ethische Bilanz, die parallel zur finanziellen Bilanz erstellt wird, und erfasst auf der Basis der Gemeinwohl-Matrix den Beitrag zum Gemeinwohl, der durch das wirtschaftliche Handeln entsteht. In der Gemeinwohl-Matrix werden die Werte „Menschenwürde“, „Solidarität und soziale Gerechtigkeit“, „Ökologische Nachhaltigkeit“ sowie „Transparenz und Mitentscheidung“ mit folgenden Berührungspunkten verknüpft: A: Lieferant*innen, B: Eigentümer*innen, Eigenkapital- und Finanzpartner*innen, C: Mitarbeiter*innen und Arbeitspartner*innen, D: Kund*innen und Geschäftspartner*innen sowie E: Globale Gemeinschaft, Natur und Lebewesen. Daraus ergeben sich 20 mit jeweils maximal 100 Punkten zu bewertende Matrixfelder.
Knapp 1300 Unternehmen haben sich weltweit bisher Gemeinwohl-bilanzieren lassen. Davon 130, also zehn Prozent, in Baden-Württemberg. Dies zeige, welche Erfolge die politische, die Bildungs- und die Vernetzungsarbeit hervorbringe, so Hensel-Rall. Daran anknüpfen soll das soeben angelaufene Landesförderprojekt.
Norbert Knopf stellt seine Bilanz vor
Indirekt mitverantwortlich für die Existenz des Projektes ist der Landtagsabgeordnete Norbert Knopf. Er hatte sich des GWÖ-Themas im Landeshaushalt angenommen und maßgeblich die dem Projekt zugrundeliegende Landesförderung von jeweils 100 000 Euro in den Jahren 2025 und 2026 vorangetrieben. Und er ist Vorreiter im Landtag von Baden-Württemberg: Knopf und sein Mitarbeiter Max Blon stellten die erste Gemeinwohl-Bilanz eines Abgeordnetenbüros vor. „Was ist denn momentan los in der Welt?“, begann Knopf. „Der neoliberale Finanzmarktkapitalismus ist für mich die Wurzel des Problems.“ Und: „Die Vermögensverteilung in Deutschland nimmt feudale Züge an.“ Er zog das Fazit: „Wir stecken in einer Systemkrise.“ Es stelle sich die Frage, wie dieser Entwicklung entgegengesteuert und die Demokratie gestärkt werden könne. Knopfs Antwort: „Da sind wir bei der Gemeinwohl-Ökonomie.“ Mit der eigenen Gemeinwohl-Bilanzierung wolle er vorangehen. Knopfs Bilanz-Ergebnis mit der Bilanzsumme von 446 Punkten ist im Detail sowohl auf den Websites Norbert Knopfs sowie des Gemeinwohl-Ökonomie-Vereins einzusehen.
Ulrich Fellmeth, Politik-Vorstand des GWÖ-Landesvereins, brachte seinen Dank „für die Unterstützung der Grünen-Fraktion“ zum Ausdruck. Und er sprach sich dafür aus, „breite Bündnisse zu schmieden für die sozial-ökologische Transformation einer zukunftsfähigen Wirtschaft und Gesellschaft“. Fellmeth betonte überdies, die GWÖ stehe nicht in erster Linie für Nachhaltigkeitsreporting. „Sondern für eine Gemeinwohlausrichtung der Wirtschaft. Und da gibt es viele Wege.“
Zielgruppen, Instrumente, Förderung
Zu den Zielgruppen des angelaufenen Landesförderprojekts gehören neben Unternehmen und wirtschaftlich tätigen Organisationen auch Wirtschafts-, Sozial- und Umweltverbände, Gewerkschaften und Verbände aus der Entwicklungszusammenarbeit sowie die Politik. Als Instrumente dienen Netzwerk- und Fachveranstaltungen, Workshopangebote, eine digitale Wissensplattform sowie die Social-Media-Kampagnen „C’mon good“ und „Demokratie“.
Das Projekt wird gefördert durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg.
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