„Ohne Finanzwende keine Klimawende“ – Regulierungen für das Finanzsystem
23.06.2023
Die Göttinger Gemeinwohl-Ökonomie lud ins Zentrale Hörsaalgebäude der Universität Göttingen ein zu einer Veranstaltung zur „Finanzwende“ im Rahmen der Klimaschutztage der Stadt Göttingen.
Die Bürgerbewegung Finanzwende e.V., 2018 von Gerhard Schick und Norbert Blüm gegründet, versteht sich als unabhängiges und überparteiliches Gegengewicht zur Finanzlobby. Sie setzt sich für faire, stabile und nachhaltige Finanzmärkte ein.
Der Referent des Abends, Daniel Mittler, ist Geschäftsführer der Finanzwende und war über 10 Jahre lang Leiter von Greenpeace International. Er stellte in seinem Vortrag die Folgen eines unzureichend regulierten Finanzmarktes auf das Klima dar. Dabei versuchte er unter anderem nachzuweisen, wie durch Lobbyisten-Gespräche des wissenschaftlichen Konsenses zu Gas- und Atomenergie wieder aus der Liste der klimaschädlichen Produktionen gestrichen wurde. Diese Einflussnahmen im Vorfeld der Entscheidung über die EU-weite, sogenannte Taxonomie-Regelung, die Finanzprodukte und Unternehmen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit klassifiziert, hätten die erarbeitete Regulierung gekippt. In Brüssel kämen auf einen Abgeordneten bzw. eine Abgeordnete 40 Finanzlobbyisten. Das ergäbe insgesamt 6.000 Finanzlobbyisten. In Berlin seien es insgesamt 1.500 Personen dieser Art von Interessenvertretern allein im Finanzsektor, der damit die Autoindustrie weit übertreffe.
Zuletzt, in 2022, hätten die Banken und Investmentfonds verstärkt große Öl- und Gas-Konzerne in ihre nachhaltig genannten Fonds und Anlagen aufgenommen, weil sie nicht auf die gewaltigen Gewinne hätten verzichten wollen, die diese Konzerne durch die kriegsbedingten Energiepreisanstiege einfahren konnten.
Der jetzige Finanzmarkt führe zu einer wachsenden Einkommensschere. Auf dem Unternehmenssektor führe er zu Unternehmenspleiten und einer anwachsenden Monopolisierung in allen Branchen.
Es sei noch viel politische Arbeit zu erledigen, um das Finanzwesen auf gemeinwohlverträgliche Regeln zu verpflichten. Zwar sei die erfolgte automatischen Kapitalsteuerabführung ein wesentlicher Fortschritt. Aber es verblieben noch ebenso wichtige Forderung offen.
Die Finanzwende hat eine lange Liste von Forderungen: ein Provisionsverbot von Anlageberatern, die Finanztransaktionssteuer, das Verbot von Derivaten zur Spekulation, eine stärkere BaFin, die Regulierung von Hedgefonds, wie die Investmentgesellschaft BlackRock, die Regulierung von Schattenbanken, die Rücknahme der Liberalisierungen auf dem Finanzmarkt, insbesondere des WTO-Finanzdienstleistungsabkommens, mehr Unabhängigkeit von den großen amerikanischen Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfergesellschaften, Abschaffung des Hochfrequenzhandels im Aktienmarkt und die Abschaffung von Kreditausfallversicherungen
Der Referent verstand es, die komplizierte Materie verständlich auszubreiten, was die rege Beteiligung der Zuhörerschaft gegen Ende der Veranstaltung sicherlich beförderte.